Das sagenumwobenen Land am Nil kann auf eine stolze Geschichte von über fünf Jahrtausenden voller Höhen und Tiefen zurückblicken. Vom Bau der majestätischen Pyramiden über die Blütezeit des Pharaonenreichs, die Übernahme durch Alexander den Großen, die Eingliederung in das römische Weltreich, die Eroberung durch die Araber bis hin zu dem Staat, den wir heute kennen. Doch die wohl dunkelste Periode der jüngeren Vergangenheit Ägyptens liegt gerade einmal wenige Jahre zurück und begann im Januar des Jahres 2011.

Die ägyptische Revolution anno 2011 und 2012

Im Januar 2011 begann eine Revolution in Ägypten im Zuge einer Bewegung, die als arabischer Frühling in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Zehntausend Menschen gingen damals in den größten Städten des Landes auf die Straße, um gegen den damaligen, seit 1981 autokratisch regierenden Staatspräsident Muhammad Husni Mubarak zu demonstrieren.

Mubarak hat während seiner Amtszeit durch Korruption und Amtsmissbrauch geglänzt, hat auf dubiose Weisen ein milliardenschweres Vermögen gescheffelt, während Armut und Arbeitslosigkeit in seinem Lande auf Rekordzahlen stiegen, und hat sich seine Macht durch ein Notstandsgesetz gesichert, durch welches er willkürlich Menschen verhaften und von der Bildfläche verschwinden lassen konnte. Das Musterbeispiel eines vorbildlichen demokratischen Anführers, dem die Herzen seiner Bevölkerung zu Füßen liegen.

Aus Angst und Unterdrückung haben sich Demonstrationen gegen seine Person bis zu diesem Zeitpunkt stark in Grenzen gehalten, doch im Zuge des arabischen Frühlings wehte der Wind von Rebellion durch die Bevölkerung. Die Ägypter hatten endgültig die Schnauze voll, wollten den korrupten Herrscher und den Polizeistaat abschaffen und für mehr Demokratie und Mitspracherecht der Bevölkerung kämpfen. Mubarak ging hart gegen die Aufständischen vor, ließ Proteste von Militär und Polizei niederschlagen. Durch Verbote und Ausgangssperren versuchte er die Organisation weiterer Proteste zu erschweren und die Rebellion im Keim zu ersticken. Etwa 850 Menschen sind während dieser Proteste gestorben. Doch all seine verzweifelten Versuche, sich an die Macht zu klammern, halfen Mubarak am Ende nichts. Im Februar 2011 wurde er schließlich gestürzt.

Als Übergangsregierung trat an Mubaraks Stelle ein Militärrat, was der Bevölkerung jedoch übel aufgestoßen ist und zahlreichen weiteren Protesten und Demonstrationen mit Todesopfern führte, die bis zu den Präsidentschaftswahlen im Juni 2012 anhalten sollten. Der wirtschaftsliberale Mohammed Mursi gewann schließlich die Wahlen gegen seinen Gegner, den hoch dekorierten Militär und Vertrauten Mubaraks, Ahmad Schafiq. Mit der Wahl des neuen Präsidenten schienen die Weichen nun auf Veränderung gestellt und Ägypten schien in eine neue Ära der Demokratie aufzubrechen. Doch dieser trügerische Frieden sollte nicht lange währen und war vielmehr die Ruhe vor dem Sturm, bevor die Lage erst so richtig eskalieren sollte.

Der Militärputsch 2013

Denn während Mursis erstem Amtsjahr bereiteten im Hintergrund das Militär zusammen mit den alten Machthabern des Mubarakregimes bereits den Sturz des neuen Präsidenten vor, mit dem Ziel wieder zu dem alten autokratischen Polizeistaat zurück zu kehren. Das Militär stellte Mursi zu Unrecht als angehenden Diktator hin, der sich selbst zu einem neuen Pharao erheben möchte. Durch gezielte Falschauslegung und Verzerrung von Tatsachen hat das Militär versucht, Mursi in den Augen der Öffentlichkeit zu diskreditieren und einen Putsch gegen den Präsidenten zu rechtfertigen. Fake News par excellence, da kann sogar Donald Trump noch was lernen.

So wurde Mursi schließlich im Juli 2013, nach etwas mehr als einem Jahr Amtszeit, im Zuge eines Militärputsches seines Amtes enthoben und das Militär hat als Übergangsregierung die Macht übernommen. Ein Ereignis, welches die schwärzesten Stunden und die dunkelste Periode der jüngeren ägyptischen Geschichte einleiten sollte.

In der Folge des Sturzes kam es zu Massenprotesten, sowohl von Anhängern und Befürwortern des gestürzten Präsidenten als auch von dessen Gegnern und Befürwortern seiner Amtsenthebung. Das Militär ging mit beispielloser Härte und Brutalität gegen die Mursi Anhänger vor. In den Monaten nach dem Putsch wurde Ägypten von einer unvorstellbaren Welle an (Polizei-) Gewalt, Brutalität Menschenrechtsverletzungen und Massenhinrichtungen überschwemmt.

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Hinrichtungen und Massenmorde 2013

Zivilisten zu töten stand für Polizei und Militär quasi auf der Tagesordnung, genauso wie das Frühstück und die tägliche Morgentoilette. Nach dem Putsch im Juli 2013 bis zum Januar 2014 kamen mehr als 2500 Menschen ums Leben, nahezu ausschließlich Zivilisten, die gegen die Militärregierung demonstrierten. Die Zahl der verletzten liegt bei mehreren Zehntausend. Die wohl grauenvollste Gewalttat der Militärregierung ereignete sich am 14. August 2013, als militärische Sicherheitskräfte zwei Lager von Pro-Mursi Demonstraten in Kairo und Gizeh auflösten – oder nennen wir es besser säuberten. Über 1000 Demonstranten, einschließlich Frauen und Kinder, wurden an diesem Tag in einem beispiellosen Massaker von den Sicherheitskräften hingerichtet.

Sich vorzustellen, dass in der heutigen Zeit in einem quasi Nachbarland der EU und einem der einst beliebtesten Urlaubsziele der hiesigen Bevölkerung tausende Demonstranten, die sich für mehr Demokratie in ihrem Staat einsetzen wollten, von ihren eigenen Landsleuten auf brutalste Weise abgeschlachtet wurden, jagt einem mehr als nur einen kalten Schauer über den Rücken. Ein derartig barbarisches Massaker ist ein trauriger Beweis dafür, zu welch verachtenswerten Gräueltaten die Menschen in der Lage sind und dass die Menschheit noch immer nichts aus ihrer Jahrtausende langen, gewaltverherrlichenden Geschichte gelernt hat.

Die „Wahlen“ nach dem Militärputsch

Im Mai 2014 fanden schließlich erneute Präsidentschaftswahlen statt, im Zuge derer Abd al-Fattah as-Sisi zum neuen Präsidenten gewählt wurde, General und Oberbefehlshaber der ägyptischen Streitkräfte, welcher maßgeblich an dem Putsch gegen Mursi beteiligt war. Doch stellten diese Wahlen vielmehr eine Farce dar, als eine faire, demokratische Abstimmung der Bevölkerung. Neben as-Sisi gab es lediglich einen weiteren Kandidaten, der ohnehin kaum reelle Chancen auf einen Sieg hatte.

Somit herrscht in Ägypten nun im Grunde wieder dasselbe Regime, welches 2011 eigentlich endgültig gestürzt werden sollte, bloß noch radikaler und noch repressiver als unter Mubarak. Oldschool quasi, back to the roots. Ein autokratischer Polizeistaat, in welchem das Militär die Macht ausübt, jedwede demokratische Ambitionen im Keim erstickt werden und Regierungsgegner einfach von der Bildfläche verschwinden. Meinungsfreiheit wird unter dem neuen Regime noch stärker unterdrückt als unter der Mubarak Ära. Folter sowie Todesstrafe sind erlaubt, verbreitet und werden fleißig angewendet. Frauenrechte lassen mehr als nur zu wünschen übrig. Homosexualität ist gesetzlich verboten.

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Die Lage in Ägypten heute

Mehr oder weniger ist mittlerweile Ruhe und Alltag in Ägypten eingekehrt. Zwar wird das Land immer wieder von Terroranschlägen heimgesucht, die sich gegen das radikale, autokratische System richten, aber große Demonstrationen, Massenproteste und Massaker an der Bevölkerung bleiben aus. Das Volk scheint sich mit der aktuellen politischen Situation abgefunden zu haben – vorerst zumindest – und hat nun erst einmal mit den Folgen der dramatischen Ereignisse von 2011 bis 2014 zu kämpfen, mit hoher Arbeitslosigkeit und Armut, wachsender Inflation, stagnierender Wirtschaft und dem teilweise komplett eingebrochenen Tourismus als einen der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren.

Dem Land ist nur zu wünschen, dass es einen Weg aus seiner Krise findet und zu seiner einstigen Höchstform zurückfindet und dass ein erneuter Boom des Tourismus das Ansehen und den Ruhm dieses einzigartigen Landes neu beflügelt. Denn Ägypten ist ein viel zu schönes Land um nicht besucht zu werden und hat viel zu viele einzigartige, beeindruckende Sehenswürdigkeiten zu bieten, die man einfach gesehen haben muss.

Wenn man das Wort Ägypten hört, sollte man nicht an Massaker und Massenmord denken, sondern an das, was dieses Land wirklich ausmacht, an eine faszinierende und fesselnde Kultur, warmherzige Gastfreundschaft, weltweit einzigartige Kulturdenkmäler und eine schier unerschöpfliche Quelle an unvergesslichen Impressionen.

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